Samstag, 1. Juni 2024 – Fahrt nach John o‘ Groats – Zwischenstopp: Castle of Mey

Die Sonne lacht, der Wind pfeift über die Klippen, die Camper machen sich abfahrbereit. Wir bummeln gemütlich in den Tag, verabschieden uns von diesem wunderbaren Platz, genießen die Ausblicke auf der Slow Road, finden einen schönen kleinen Platz für das nächste Mal 🙂 und lassen uns an einem Café, das gerade als wir um 11:30 Uhr vorbei fahren seine Pforten öffnet, zu einem zweiten Kaffee verführen.

Michael schlängelt sich langsam über die schmale Straße.

Die Sonne verstärkt die Farbenpracht der Landschaft, so dass ich ab und zu mal dies durch unsere schmutzige Scheibe festhalten muss.

Wir entscheiden uns dieses Mal, dem Castle of Mey unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Bei unser Ankunft werden wir darauf hingewiesen, dass die Anlage um 16:00 Uhr schließt, doch die Räumlichkeiten und die Gärten sind nicht so zahlreich und weitläufig.

Doch auch die kleinen Tiere im Tierpark bekommen unsere Aufmerksamkeit. Esel Alice lässt diese unaufgeregt über sich ergehen, die kleinen Lämmer schnuppern und knabbern auf der Suche nach Futter.

John o‘ Groats empfängt uns mit einem Platz mit Blick auf das glitzernde Meer und die Orkneys und schließlich findet sich eine Familie tummelnder Orkas ein: die beiden Jungtiere werden vom Mutter-Wal begleitet.

Sonntag, 2. Juni – John o‘ Groats – Wanderung um die nord-östlichste Spitze

Ausnahmsweise bereite ich uns heute ein herzhaftes Frühstück zu. Eine 3-4stündige Wanderung von John o‘ Groats nach Duncansby Head und wieder zurück steht auf Michaels Wunschliste. Also bekommt der Bär ordentlich Energie verabreicht. Die abfahrenden Camper als morgendliches Unterhaltungsprogramm werden auch nie langweilig. Der Platz ist menschenleer als wir starten.

Zunächst geht es an der Küste entlang. Der dramatische Himmel verspricht für die nahe Zukunft auch ein wenig Sonnenschein.

Anschließend bahnen wir uns den Weg zwischen den Schafen auf den sattgrünen Hügeln.

In der Ferne schimmert der Leuchtturm am Horizont und weiter geht es nach einer kurzen Pause an den Klippen entlang.

Vögel brüten manchmal paarweise in den sicheren Klippen.

Diesmal haben wir unser Fernglas nicht vergessen. In aller Ruhe beobachten wir das vielseitige Gefieder in und auf den Klippen, fasziniert von der Menge der brütenden Vögel und dem Lärm, der zu uns herüber schallt.

Der letzte Punkt vor dem Rückweg sind die Stacks, ‚Klippen-Stäbe‘ oder eher Türme, die aus dem Meer ragen, die Wellen brechen und ebenfalls voller heimischer Vögel sind.

Zwischendurch kämpft sich immer wieder die Sonne durch die Wolken und taucht die Szenerie, an der wir uns nicht sattsehen können, in fast mystisches Licht.

Ein Blick zurück auf unseren Weg, wählen wir einen anderen Rückweg quer über die Schafweide.

In der örtlichen Destillerie belohnen wir uns, nein nicht mit Whiskey, sondern mit Kaffee und Wasser. Wir planen unsere nächsten Ziele an der Ostküste, da wir uns ein wenig wärmeres Wetter wünschen und buchen die nächsten beiden Plätze. Zusammen zaubern wir ein leckeres Abendessen und Michael kämpft, kontaktfreudig wie immer, alleine an der Spüle. Heute bringt er einen lohnenswerten Abstecher für den Rückweg mit: Holy Island.

Nicht nur die sich häufenden Schaumkronen auf dem sich heftig kräuselnden Wasser verraten uns neben dem bebenden Bus, dass der Sturm zunimmt: für den Schotten: a little bit blowy; für uns: stormy wheather.

Montag, 3. Juni 2024 – Fahrt nach Dornoch Caravan & Camping Park

Der Wind zeigt, was er kann. Es rappelt ganz schön in der Nacht. Wir stehen vorne auf unseren Keilen. Hinten fühlt es sich etwas sicherer an. Aber nur etwas – das Beben unseres Busses schaukelt uns in den Schlaf – zeitweise. Gefühlt, lässt diese Jahreszeit keine Nacht zu. Nachdem die Sonne untergegangen ist, herrscht weiterhin Dämmerung, diese fließt nahezu nahtlos über in die Morgendämmerung, bevor die Sonne um 4:00 Uhr aufgeht. Die Schotten dicht, schlummern wir in den Morgen. Alle anderen Camper reiten frühzeitig vom Platz, wir zockeln kurz vor 11:00 Uhr hinterher. Der Weg führt uns zunächst einmal zum Tesco-Super-Store in Wick, um Wasser und Vorräte aufzufüllen. Die freundlichen englischen Ladies, die wir beim Bier und dann bei den Chips (bei den Grundnahrungsmitteln sozusagen) treffen, sind an der Kasse neben uns, reichen ihre Tesco-Club-Carte herüber und so erhalten wir alle wieder ein bisschen Rabatt. Auf dem Parkplatz treffen wir sie erneut – vier mögliche Fahrzeuge bieten sich zur Auswahl – wir sind das Zweite von vorn, etwas versteckt.

Das Schloss, welches unseren Weg kreuzt, kennen wir schon von unserer ersten Reise, daher halte ich nicht an und klettere mit unserem Bus über die Hügel, oben immer verbunden mit einem Blick auf eine Bucht mit meilenweiten Sandstrand – einen davon kennen wir ebenfalls schon. Die Straße bietet Raum, um entgegenkommenden Fahrzeugen und Schlaglöchern auszuweichen. Das verbale Staccato vom Beifahrersitz bleibt aus und wir erreichen gegen 14:00 Uhr den Camping & Caravan Park in Dornoch.

Aus den neu erworbenen Vorräten koche ich eine leckere Mahlzeit während Michael Tisch und Stühle im Windschatten in der Sonne positioniert. Unser Wunsch hat sich erfüllt: Sonnenstrahlen streicheln wärmend über unsere Haut, während der Wind für eine sanfte Abkühlung sorgt. Nach einer Weile lockt uns das Städtchen, dass sich bei unserer Durchfahrt idyllisch präsentiert hat.

Im Gefängnis (Jail) bietet sich die Gelegenheit, ein wenig zu shoppen, die erneuerte Kathedrale beeindruckt mit einem soliden Gemäuer und ausdrucksstarken Fenstern und der Strand bei Ebbe lächelt freundlich für die späten Besucher.

Vor unserem Bus genießen wir die letzten Sonnenstrahlen, beobachten die Camper, die beindruckend schnell ihre Zelte auf der Wiese errichten. Einen zusätzlichen Windschutz empfinden einige als notwendig – sehr nachvollziehbar. Bei uns fungiert der Bus als Windschutz, wir richten uns einfach auf der anderen Seite unseres Schätzchens ein – ganz klar Glamping.

Dienstag, 4. Juni 2024 – Fahrt nach Fortrose Bay Campsite – Zwischenstopp: Lairg

Wind, noch mehr Wind, noch viel mehr Wind, Regen und zwischendurch Sonne. Kalt: 8 Grad. Also weiter Richtung Süden. Doch ein kurzer Halt im Ort Dornoch ist noch nötig: Ich springe aus dem Bus, rein in das Café, während Michael mir seine Börse zuwirft. Direkt am Eingang finde ich, wonach uns gelüstet. Sofort zur Kasse: „Just the chocolate.“ Kein Geld in der Börse! Ich scherze mit dem jungen Mann an der Kasse und krame in meiner Jeans nach ein paar Scheinen. Passt. Mal sehen, ob es ein Teil der wirklich grandiosen Schokolade bis nach Hause schafft.

Um die Batterien aufzuladen, fahren wir ins Landesinnere nach Lairg. Mitten im Nirgendwo finden wir die Sutherland Sporting Tweed Company. Sobald wir durch die Tür des völlig dunklen Geschäftes treten, gehen im wahrsten Sinne des Wortes die Lichter an. Wir dringen in die Tiefen des Gebäudes ein, sobald wir einen Gang betreten, werden wir rundum erleuchtet und plötzlich materialisiert sich der eine Tweed vor uns, der Michael glücklich macht. Perfect match!

Dieser Ort schenkt uns ebenfalls einen Lunch – wir sind ohne Frühstück gestartet – während sich ein kurzes Unwetter über Lairg zusammenbraut. Nein, den Haggis wollen wir nicht, aber den sehr leckeren Fisch.

Mit dem Herausbrechen des Sonnenscheins starten wir und schlendern durch die Landschaft mit unserem Bus. Einfach nur durch Schottland zu fahren, streichelt die Sinne.

Am Ende unseres heutigen Weges erwartet uns weder Wärme noch weniger Wind aber ein wunderbarer Platz, den uns eine überaus freundliche Schottin mit einem herzlichen Willkommen auf der „Black Isle“ anweist. Der nächste Schauer kommt bestimmt aber einen kurzen Moment genießen wir in der Sonne den Blick auf das Wasser.

Michael genießt im Bus auf dem Bett lümmelnd weiter. Mich zieht es in den Ort Fortrose zur Ruine einer alten Kathedrale.

Einige Geschichten, die sich um diese ranken, kenne ich schon. Bestimmte Namen begegnen mir in Schottland immer wieder und die einzelnen Fakten fügen sich langsam zu einem großen Ganzen – immer mehr fühle ich Schottland.

Unsere Gastgeberin sensibilisiert uns für eine Landzunge auf dieser ‚Black Isle‘, wo sich bei der Tide heimische Delfine einfinden. Wir ermitteln die Gezeiten, stapfen um 18:00 Uhr los zwischen dem Wasser, das immer näher rückt und dem Golfplatz mit seinen dem Wind ausgesetzten Bällen. Mal sehen, wer oder was uns zuerst trifft.

Der Wind peitscht uns unbarmherzig vorwärts. Ich denke kurz an den Rückweg, verdränge den Gedanken aber sofort wieder. Auf einer Landzunge blicken wir mit zahlreichen Touristen, jeder mit seinem eigenen fotografischen ‚Werkzeug‘ – ich bin kurz an den Ayers Rock in Australien erinnert – auf die See. Zwei Delfine, ein ganz kleiner und ein großer, tummeln sich keine 100 Meter vor uns im Wasser, das Fernglas brauchen wir nicht.

Während wir verzückt auf die Wasseroberfläche schauen, drei, vier, fünf, sechs weitere Delfine immer mit ihren Jungtieren in der Bucht ihre Bahnen ziehen, lecken die Wellen an unseren Schuhen. Den Blick nicht abwendend treten wir zurück, doch die Wellen umspielen schließlich doch unsere Füße. Die Schuhe halten uns trocknen, die Delfine spielen in den Wellen, die Kälte kriecht in unsere Glieder.

Immer mehr Menschen erreichen die Landzunge. Wir überlassen unseren Platz den weiteren Spähern und treten gegen den Wind, vorbei am Leuchtturm, der uns in der Dämmerung entgegen leuchtet, den Rückweg an. Einzelne Golfspieler trotzen dem Wind und den kalten Temperaturen in T-Shirt und kurzer Hose dem Wetter.

Ist das kalt. Aber unser Bus empfängt uns warm und windgeschützt mit unserem Blick auf das Wasser. Bei einer wärmende Suppe und einem rauchigen Whiskey lassen wir den Tag ausklingen.

Ein weiterer besonderer Tag in Schottland schickt uns behütet ins Traumland.

Mittwoch, 5. Juni 2024 – Fahrt nach Pitlochry – Kilvrecht Campsite

Der Sonnenschein, das glitzernde Meer erweisen sich als trügerische Verführer als wir morgens aneinander gekuschelt aus dem Fenster spähen. In zwei Stunden erreicht uns ein größeres Regengebiet. Also beschließen wir weiter Richtung Süden zu fahren. Das touristenfreundliche Pitlochry lädt zu einem Bummel und einer längeren Pause ein. Bei einem Kaffee und Käseomelett suchen wir einen Platz in der Nähe, in der Natur.

Die Fahrt führt uns tief in den Wald zum Loch Rannoch. Das Schild Richtung Campsite weist uns eine schmale Schotterstraße an. Etwas verhalten tuckern wir langsam in den Wald und mitten im Nirgendwo materialisiert sich ein lichtdurchfluteter Platz hinter einer großen Schranke. Etwas ratlos schauen wir auf den Platz, der zahlreiche leere, ‚hardstanding pitches‘ präsentiert. Wir haben online keine Möglichkeit gefunden, diesen Platz zu buchen oder zu bezahlen, obwohl wir den Anweisungen auf der Webseite genauestens befolgt haben. Wie durch Geisterhand öffnet sich die Schranke – nun denn. Genau ein weiterer Camper steht auf der Wiese. Da es immer mal wieder regnet, bevorzugen wir einen Platz auf dem Schotter.

Näher an der Natur geht es nicht. Sobald der Regen nachlässt, starten wir unsere Wanderung durch den Wald und folgen zunächst einmal unserem Instinkt und Google Maps. Das bringt uns nicht nur tiefer in den Wald sondern auch höher auf den Berg.

Schließlich stoßen wir auf einen Holzpfahl mit einem blauen Zeichen. Ich erinnere mich vage an einen blau markierten Wanderweg auf der Karte, die ich im Bus studiert aber in diesem auch vergessen habe.

Wir folgen den blau markierten Pfählen, erreichen wieder den Fluss und nach einer weiteren Erinnerung meinerseits, folgen wir den roten Markierungen und landen schließlich als der Regen wieder einsetzt an unserem Bus.

Durch den Regen erblicke ich ein rotes Auto an der Holzhütte ankommen. Ich stapfe mit meinen, heute neu erworbenen, Gummistiefeln über die Wiese und werde nach einigem Geplänkel meine 20 Pfund los für unsere Übernachtung. Einige Fahrradfahrer bemühen sich ihre Zelte aufzustellen. Ansonsten hat sich kein Camper in diesen Wald verirrt.

Der restliche Abend bleibt trocken und windstill, doch die Temperatur sinkt auf 6 Grad. So ganz ist unser Plan, in die Wärme zu fahren, nicht aufgegangen – noch nicht.

Donnerstag, 6. Juni 2024 – Fahrt nach Berwick-upon-Tweed – Paxton House Campsite

Kein Wind, kein Regen, absolute Stille. Mitten im Wald erleben wir die ruhigste Nacht unserer Reise. Die schützenden Bäume um den lichtdurchfluteten Platz flüstern uns in den Schlaf, legen ihr schützendes Dach über den Bus, halten sämtliche Geräusche von uns fern. Völlig entspannt erwachen wir, blinzeln in die ersten Sonnenstrahlen. Alles ist warm und kuschelig, die Heizung zeigt, was sie kann und die 2 Grad Außentemperatur dringen nicht in unseren Bus. Wir verfolgen weiter den Plan, dem wärmeren Wetter hinterher zu jagen, obwohl wir diesen Wald, diesen besonderen Platz ungern verlassen.

Heute übernehme ich den größeren Teil der Strecke, lotse den Bus im Regen und Sonnenschein durch die Autobahnkreuze und Kreisverkehre um Edinburgh herum.

Wir fahren über die schottische Grenze nach England, dann im Landesinnere noch einmal zurück nach Schottland und landen auf dem ‚Walled Campsite‘ vom Paxton House, der überraschend viele schöne Plätze zur Auswahl bietet.

So eine fokussierte Fahrt rückt alle anderen Bedürfnisse in den Hintergrund. Um 14:30 regt sich der Hunger. Wir müssen etwas kreativ den Wind aussperren, kochen und spülen in den bekannten verteilten Rollen mit einigem Schabernack.

Am Abend zieht es uns in den hiesigen Pub, um ein wenig in die typische schottische Pub-Atmosphäre auf dem Land einzutauchen – wieder eine erlebnisreiche Erfahrung.

Freitag, 7. Juni 2024 – Fahrt zur Holy Island – The Barn at Beal Campsite

Das englische Wetter gestaltet sich ähnlich wie das schottische. Unsere Fahrt auf und Wanderung um die Holy Island wird auch hier an der englischen Küste begleitet von Wind, Regenschauern und ein wenig wärmender Sonne. Die Gezeiten-Tabelle richtig interpretiert, gelangen wir trocken auf die Insel.

Heute wandere ich alleine. Naja, nachdem ich mich an den Massen von Touristen vorbei gedrückt habe, die sich alle Richtung Burg herauf schieben. Mich zieht es an der Burg vorbei Richtung Natur.

Durch immer wiederkehrende Regenschauer stapfe ich über die Insel, vorbei an meinen Freuden den Schafen, mal inne haltend, um die Natur zu genießen an einem windgeschützten Plätzchen. Zum Schutz der Natur sind Wege, die begangen werden dürfen, ausgeschildert.

Der nächste Regenguss führt mich in die Vogelbeobachtungshütte. Aufmerksam lese ich das Schild, was diese Insel den Besuchern zu bieten hat, als eine britische Lady mit ihrem Hund die Hütte betritt, zielstrebig eines der Holzverschläge öffnet und sich mit ihrem Fernglas in Stellung bringt.

Völlig begeistert teilt sie mir ihre Sichtung mit und fordert mich auf, ebenfalls zu schauen. Dieser Aufforderung nachkommend, erblicke ich zwei Schwäne – die habe ich Draußen schon bemerkt. Aufmunternd drückt mir die Lady ihr Fernglas  – ohh, ein Swarovski – in die Hand und sucht nach ihrem Fotoapparat. Durch die Linsen erblicke zwischen den beiden ausgewachsenen Schwänen 7-8 junge, puschelige, hellgraue Schwäne, die majestätisch im Wind über das Wasser gleiten, in der nun gleissenden Sonne kaum sichtbar. Nach meinen verzückten Ausrufen gebe ich das Fernglas der Besitzerin zurück und bedanke mich. Sie kommentiert ihren Fotoversuch, dass sie nicht schnell genug war. Traurig erwidere ich, wie leid mir das tut. Hat sie mir doch diesen wunderbaren Blick geschenkt. Ihre tröstenden Worten, dass dies nicht schlimm sei, erreichen mich, während ihr Hund sein Köpfchen an meinem Oberschenkel reibt. Derart getröstet, verabschiede ich mich und wandere nun bei Sonnenschein und Wind über die Insel. 

Das Reh nimmt mich wahr, noch ehe ich es im wehenden Gras erspähe. Vorsichtig nähere ich mich im Gegenwind, ertaste mein Handy und versuche in der Sonne blinzelnd mein Gegenüber einzufangen – bildlich. Ein zweites Reh mit aufgestellten Ohren findet wachsam seine Artgenossin, blickt in meine Richtung während das andere Reh mich nicht als Gefahr empfindet und weiter äsend über die Düne durch das Gras gleitet.

Ich störe nicht länger und setze meine Wanderung fort. Die Lady mit dem Hund überholt mich noch einmal grüßend und biegt Richtung Parkplatz ab. Mir bleibt noch ein wenig Zeit. Die Flut lässt die Straße erst in einer Stunde verschwinden. Also strebe ich auf dem ausgezeichneten Weg weiter Richtung Küste.

Das Wasser kommt näher. Zeit für den Rückweg. Mir begegnet keine Menschenseele. Erst als ich mich dem Parkplatz nähere, strömen aus allen Richtungen die Besucher zu ihren Autos. Vom Wind ziemlich durchgerüttelt, freue ich mich auf den Bus, den die Sonne aufgewärmt hat. Wir verlassen die Holy Island, jeder mit seinen eigenen Eindrücken, versorgen den Bus mit Diesel und Ad Blue – der Alarm ging mir gestern während der Fahrt durch Mark und Bein – daran gewöhne ich mich wahrscheinlich nie.

Unser Platz bietet neben anderen Annehmlichkeiten auch ein gutes Restaurant. Wir verbummeln den Nachmittag und lassen uns am Abend verwöhnen. 

Unsere letzte Woche wollen wir in einem, uns noch unbekannten, Teil Schottlands verbringen – im Südwesten.

Die Abenddämmerung verspricht gutes Wetter – die Morgendämmerung um 4:00 Uhr auch.

Samstag, 8. Juni 2024 – Fahrt über die 708 nach Lochmaben – Kirk Loch Campsite

Nachdem wir uns in den Morgen gelümmelt haben, übernehme ich den ersten Teil, der Strecke, da ich im zweiten Teil wieder einmal eine Slow Road ausgesucht habe. Bei diesen Straßen gibt immer noch nur Einen entspannten Beifahrer. Also wechseln wir nach einer Stärkung in einem Restaurant am Wegesrand mit großen Parkplatz, dass an diesem Samstag ebenfalls von zahlreichen Einheimischen bevölkert wird. Im Restaurant weisen uns einige Tafeln auf die ausgesiedelten Steinadler in dieser Gegend hin und prompt schweben nach zehnminütiger Weiterfahrt drei dieser prächtigen Vögel gut sichtbar über unseren Köpfen. Zumindest für Eine von uns. Michael konzentriert sich auf die Straße ich genieße den Anblick am Himmel.

Heute ist eindeutig die Straße das Ziel. Es bieten sich zunächst keine Haltepunkte, so dass die wunderbare Landschaft durch die furchtbar schmutzige Scheibe festgehalten werden muss

Am St. Mary’s Loch bekomme ich dann doch meine erste Chance. Auf dem See finden sich einige kleine weiße Punkte – Segler. Die kleinen weißen Punkte auf den immergrünen Hügel kennen kennen wir ja schon – Schafe.

Die Straße A708 schlängelt sich durch die unglaublich schöne schottische Landschaft und lässt uns immer mal wieder anhalten. Erinnerungen an Neuseeland und Kanada werden in uns wach. Wir können uns nicht sattsehen, wie auf den sonnenbeschienenen Hügeln die Wolken über das leuchtende Gras wandern. Dies ist eine der schönsten Straßen, die wir in Schottland mit unserem Bus bewandert haben und fast gänzlich ohne Touristen.

Wir sind sehr froh über den geringen Gegenverkehr, denn die Straße bietet kaum Ausweichmöglichkeiten. Aber unsere Freunde, die Schafe, erwarten natürlich, dass wir ihnen hinreichend Zeit zum Ausweichen bzw. zum Verlassen der Straße lassen.

Nachdem wir die Moffat Hills durchquert haben, werfen wir einen kurzen Blick auf die wenig attraktiven, überfüllten Stellplätze in Moffat und fahren weiter zum Kirk Loch Campsite in der Hoffnung auf einen freien Platz.

Dort bekommen wir ‚lediglich‘ einen Platz ohne Strom auf dem Hügel mit Blick auf das Loch. Etwas abseits vom Getümmel, was wir sehr begrüßen als sich Abends der Platz mit lärmenden Engländern füllt. Immer wieder blinzelt die Sonne durch die Wolken und lässt ihre Strahlen glitzern über das Wasser wandern.

Begleitet von dieser Aussicht planen wir unsere weitere Route.

Wir buchen einen günstigen Platz mit Strom für zwei Nächte in Stranraer. Mal sehen, was uns auf der Fahrt dorthin und an diesem Ort erwartet. Wir nehmen es, wie es kommt.

Sonntag, 9. Juni 2024 – Fahrt nach Stranraer – Aird Donald Caravan Park

Das etwas erhabene ruhige Plätzchen oberhalb der anderen Camper beschert uns eine ruhige Nacht und einen gemütlichen Morgen. Wir zockeln von der Wiese Richtung Küste. Ich navigiere uns weg von der großen breiten Straße Richtung ‚Isle of Withorn‘. Die Straßen werden immer kleiner und enger aber auch landschaftlich schöner.

Die langsame Fahrt bietet uns trotz des bewölkten Himmels wunderbare Ausblicke.

Mein Ziel ist ein Tearoom auf der Halbinsel für eine Kaffee-Pause. Gekonnt wie immer folgt Michael meinen gestikulierten Anweisungen und manövriert unser Baby in eine Parklücke. Im St Ninians Tearoom finden wir ein nettes Plätzchen mit einem schönen Blick auf die Bucht. Die Karte verführt uns neben dem üblichen ‚Flat White‘ zu einem kleinen Snack. Um uns herum entsteht ein wuseliger Aktionismus. Mehrere Schotten in eigentümlichen T-Shirt entern den Raum, fallen über den Kuchen her und organisieren sich an der hinteren Wand des Raumes.

Dieser Shanty-Chor: „The Ship Shea Shanty Shingersh“ (so steht es auf den T-Shirts) beglückt uns in den nächsten vierzig Minuten mit seinem stimmungsvollen Repertoire. Die erhöhte Anzahl der Strophen, welche eine Geschichte erzählen, lässt uns den immer wiederkehrenden Refrain dann und wann mitsingen. Was für ein Geschenk, das uns hier vor die Füße gefallen ist. Der tosenden Beifall und die Spenden erfreuen diese zehn Schotten, die für einen guten Zweck heute auch noch einmal in Port William auftreten.

Beschwingt von dieser musikalischen Darbietung setzen wir unseren Weg an der Küste fort, fahren durch Port William und entdecken einen schönen Platz für Wohnmobile direkt am Wasser: Kings Green Caravan Park. Den merken wir uns für die Rückfahrt oder für unsere nächste Reise.

Nach dem unkomplizierten Einchecken auf unserem, heute günstigen Campground in Strenraer können wir uns noch ein Plätzchen aussuchen. Gegen Abend füllt sich der Platz mit Wohnmobilen, von denen wohl einige am nächsten Morgen die Fähre im nahegelegenen Fährhafen Cairnryan nach Irland nehmen. Merken wir uns auch.

Gegen Abend treibt es uns an die Küste. Obwohl wir nicht reserviert haben, bekommen wir einen Platz in ‚Henrys Bay House‘, schlürfen ein paar schottische Austern mit Blick auf die Fähren in der vor uns liegenden Bucht und freuen uns auf den morgigen faulen Tag.

Der Sonnenuntergang verspricht abermals gutes Wetter für den morgigen Tag.

Montag, 10. Juni 2024 – Stranraer – Aird Donald Caravan Park: faulenzen

Die Sonne kitzelt uns aus der Koje. Ein Wohnmobil nach dem anderen verlässt den Platz, so dass wir völlig allein mit Blick auf die Natur in den Tag faulenzen können.

Der zunehmend stärker werdende Wind bläst uns fast aus den Liegestühlen. Offensichtlich sollen wir uns ein wenig bewegen, also erkunden wir das Städtchen, das Gateway to Galloway.

Gegen den Wind kämpfen wir uns zum Hafen, halten schnell die Eindrücke fest und entern die Touristen-Info.

Wir atmen ein wenig durch, finden eine detaillierte Karte der Umgebung an der Wand und stellen Überlegungen an, wohin es als Nächstes gehen könnte. Eine freundliche Schottin fragt, ob sie uns helfen könne. Wir brauchen im Moment keine Hilfe und studieren weiter die Karte. Erneut meldet sich die Dame hinter ihrem Tisch und hält eine Karte in unsere Richtung. Dies sei die Neuauflage der Karte, sie ist zwar nicht so gut wie die an der Wand aber wir können sie haben. Ein so freundliches Angebot kann ich nicht ablehnen. Ich schaue auf die Karte, stelle fest, dass die Campingplätze fehlen und merke dieses auch an. Die Dame reicht mir eine weitere Karte, worauf detaillierte Straßen sichtbar werden. Hm, nicht ganz das, was ich wollte aber in Ordnung. Ich nehme auch diese Karte und wende mich der Präsentation der Souvenirs zu. Ob sie uns denn noch weiterhelfen könnte, meldet sich die Dame erneut. Nein, vielen Dank. Wir verlassen das Büro und sind uns einig: wir haben ein wenig das Gefühl, wir wurden freundlich aber bestimmt hinaus geworfen.

Bei einem leckeren ‚Flat White‘ breiten wir unsere Karten aus und planen die letzten verbleibenden Übernachtungen. Mich zieht es ins Landesinnere noch einmal an ein Loch im Galloway Forrest National Park. Michael ist ein wenig skeptisch wegen der Mücken. Wir hatten bis jetzt viel Wind, also kaum Mücken, da diese vom Winde verweht werden. Das geschäftige Treiben der Café-Besitzerin, Kaffeemaschine säubern, Boden wischen, Kuchen wegräumen, ruft bei uns abermals das Gefühl hervor auch diesen Ort, zeitnah zu verlassen. Auf dem sonnigen aber immer noch windigen Rückweg bemerken wir Palmen. „Sieht aus wie ein Vorort von L.A.“, merkt Michael an und zückt das Handy.

Den restlichen Tag verbummeln wir am Bus. Dieser Ort verabschiedet sich mit einem Regenkuss und einem Sonnenuntergang, der wieder wechselhaftes Wetter verspricht.

Dienstag, 11. Juni 2024 – Fahrt nach Ayr – Loch Doon Campsite – Wanderung

Ich fahre heute. Auch wenn ich weiß, was dies so mit sich bringt, ist meine Freude, durch diese Landschaft zu fahren, ungebrochen. Entlang an der Küste nach Ayr fließt der Bus in Harmonie mit der Irischen See.

Die breite Straße bereitet keine Probleme. Die zunehmenden Kreisverkehre, je näher wir uns Ayr nähern, erlebe ich hin und wieder als Herausforderung. Wie immer steht mir Michael mit seinen Hinweisen hilfreich zur Seite. Am Fluß, einen kurzen Fussmarsch von unserem ersten Ziel entfernt, finden wir einen geeigneten Parkplatz für unser Baby. Während ich energisch die Handbremse anziehe, lobt Michael sich zunächst selbst, er hätte nicht viel gekreischt heute, und schließlich auch mich: ich hätte erstklassig eingeparkt. Was will man mehr.

Nachdem wir auf den Äußeren Hebriden in einer Fischräucherei großartigen Fisch für unsere Fahrt erworben haben, dieser, neben diversen anderen Leckereien, längs den Weg auf unsere Hüften gefunden hat, wünscht sich Michael noch einmal ein leckeres Potpourri. Wir finden das recherchierte Fischgeschäft und werden nach unserem Einkauf mit den Worten verabschiedet: We’re glad, that you have found us.“ Wir sind auch glücklich.

Ich fülle den Kühlschrank und Michael kapert den letzten Tisch im Café an der Ecke. Der liebevoll zubereitete Snack und der Tee macht uns ebenfalls glücklich.

Wir bummeln noch ein wenig durch die Stadt, zwei Stunden dürfen wir umsonst stehen, füttern unser Navi mit unserem Ziel im Galloway Forest Park und ich steuere unseren Bus Richtung Loch Doon. Ich muss nicht erwähnen, dass die Straßen kleiner und die Landschaften beeindruckender werden.

Der angestrebte Campground ist schon gut gefüllt. Ich erblicke eine leeres Plätzen mit Blick auf das Wasser und stelle den Bus erst einmal dort ab.

Wir schlendert Richtung Eingang und treffen mal wieder einen freundlich Schotten. Es ist völlig okay dort zu stehen, Strom ist kostenlos und die Übernachtung mit all den Annehmlichkeiten kostet uns 18 Pfund. Der günstigste Platz mit Strom auf unserer Reise und der Ausblick ist unbezahlbar.

Ich denke daran, unsere Räder zum Einsatz zu bringen und am Loch entlang zu einer Burgruine zu fahren. Michael hat eine Wanderung am Fluss und über den Pass wieder zurück recherchiert. Wir wandern. Leider nicht jeder mit geeignetem Schuhwerk, wie sich bald herausstellt, denn der Weg gestaltet sich streckenweise als sehr ‚muddy‘.

Für meine nassen Füsse entschädigt mich die Natur hinreichend und der Anstieg zum Ness Glenn wärmt unsere Glieder.

Der Ausblick wärmt unsere Herzen. Wir können uns an Schottland nicht sattsehen und die Fotos geben leider nicht ansatzweise unsere Eindrücke wieder.

Der Rückweg gestaltet sich leichter und das ist auch gut so. Eine angenehme Müdigkeit bereitet sich aus.

Wir treffen diesmal Rindviecher auf der Straße, die uns allerdings keine Beachtung schenken und gemütlich weiter grasen.

Hungrig erreichen wir den Platz und sorgen unmittelbar für Futter. Der Kühlschrank bietet noch eine ganze Menge, der Grill ist schnell einsatzbereit, der Wind spielt ebenfalls mit.

Immer mehr Wolken verdichten sich am Himmel. Ein letzter Blick in der verschwindenden Abendsonne.

Den Whiskey nach dem Essen genießen wir im Bus während die Heizung diesen mit angenehmer Wärme erfüllt.

Mittwoch, 12. Juni 2024 – Drumlanrig Castle, Thornhill, Queensberry Bay Camping

Es ist wunderbar ruhig am Morgen und wir dämmern aus dem Schlaf in unsere morgendliche Routine. Es schleicht sich ein wenig Wehmut in unsere Gedanken: dies war der letzte, emotionale Platz auf unserer Reise. Ab jetzt sind wir zweckmäßig auf dem Rückweg. Trotzdem nehmen wir alles mit, was der Wegesrand und die ‚Slow Road‘ zu bieten hat. ‚Slow Road‘ ist das Stichwort: ich navigiere, Michael fährt. Immer wenn die Straßen kleiner werden, kommentiere ich die Schönheit der Landschaft, während Michael achtsam um die Schlaglöcher – zum Glück gibt es wenig Gegenverkehr – herum schlingert. Aber es gibt Arbeiten am Wegesrand – irgendwer muss sich ja um die Befahrbarkeit dieser kleinen Straßen kümmern. Während wir langsam näher kommend anhalten, weicht schweres Gerät in die grünen Hügel und wir touchieren leicht mit unserem Rückspiegel das Fahrzeug. Der Schotte auf der Straße in orangefarbener Weste deutet an, dass wir anhalten sollen. Mit zerknirschter Miene fahre ich das Fenster herunter, in der Erwartung auf eine wütende Schelte. Doch dieser Schotte spricht uns auf das EM-Spiel am Freitag an. Völlig verdattert starre ich ihn sprachlos an. Michael ist schneller und retourniert. Ich lache schließlich erleichtert und sage, dass die Schotten durchaus eine Chance haben. Der freundliche Schotte schüttelt skeptisch den Kopf. Michael meint, das deutsche Team sei nicht in bester Verfassung (condition). „The scottisch has no condition“, lacht unser Gegenüber. Voller Stolz gibt er uns noch ein paar Tipps dieser Umgebung, welche wir entdecken können. Voller Stolz erzählen wir, was wir alles entdeckt haben und wie begeistert wir von dieser Region sind. Wir trennen uns mit wohlmeinenden Worten. Ich liebe die Schotten.

Nein, nicht ein weiteres einziges Foto mehr kann unsere Eindrücke während dieser Reise bereichern: immer wieder ist die Straße das Ziel – je kleiner, desto mühsamer, desto besser – und sie führt uns immer wieder ein wenig zu uns selbst. Heute ist das Drumlanrig Castle unser erster Zwischenstopp.

Das Navi will nicht wirklich, dass wir dieses Ziel erreichen, also ‚old school‘. Wir folgen den Schildern, welche uns zu einer imposanten Auffahrt führen und uns einen recht leeren Parkplatz vorfinden lassen.

Wir laufen ein wenig herum. Die Szenerie gestaltet sich anders als erwartet. Hier wird ein ‚Mudd-Rennen‘ vorbereitet – das Castle ist für die nächsten Tage für Besucher geschlossen. Nicht wirklich schlimm. Die Umgebung ist auch schön. Wir treffen auf ein deutsches Paar, das gerade die Gärten besichtigt, einige Setzlinge erbeutet hat und völlig begeistert nun die Rückreise antritt. Wir lieben eher die wilde Natur und das geschäftige Drumherum inspiriert uns zu einem Picknick mit Blick auf das erhabene Castle und die ebenso erhabenen Bäume.

In der nahegelegen Stadt Thornhill spazieren wir auf der Suche nach einem Café die Hauptstraße entlang und werden nicht enttäuscht.

Der heutige Platz ist praktisch und strategisch gut, doch ihm fehlt der Charme unserer anderen Übernachtungen. Wir nehmen es, wie es kommt.

Den Ort, der außer einem riesigen Golfplatz nicht viel zu bieten hat, erwandern wir und finden eine schöne Häuserzeile und ganz versteckt eine ‚alte Perle‘.

Die Temperatur fällt, der Wind wird schärfer. Zurück zum Bus: kochen, essen, spülen.

Donnerstag, 13. Juni 2024 – Fahrt nach Gretna Green – Braids Caravan Park

Nur wenige Sonnenstrahlen kämpfen sich durch die geschlossene Wolkendecke aber noch ist es trocken. Die Prognose für heute ist heftiger Regen. Wir beschließen einen Tag früher ins 30 Minuten entfernte Gretna Green zu fahren, um neben unseren reservierten Platz für morgen, schon heute ein Plätzchen für die Nacht zu bekommen. Doch zunächst fahre ich einen kleinen Schlenker zu einem Farmhaus und wir stärken uns mit einem herzhaften späten Frühstück. Der freundliche Schotte hinter der Theke fühlt sich berufen, das morgige EM-Spiel in unser Gespräch mit einfließen zu lassen. Er erzählt uns, dass zur Zeit rund 200 000 Schotten in Deutschland sind. Vielleicht begegnen wir ja dem ein oder anderen freundlichen Schotten in unserer Heimat.

Da der Regen auf sich warten lässt, steuere ich in Annan den Tesco-Parkplatz an. Hier gibt es immer ausreichend große Parkplätze, außerdem müssen wir unsere Wasservorräte noch einmal mit dem Highland Wasser aufstocken. Doch zuvor bummeln wir noch durch das Städtchen vorsorglich in Regenjacke, doch der Regen bleibt immer noch aus.

Im Tesco fühlt sich Michael berufen, die EM-Deco zu fotografieren. Wir fahren schon einige Tage in unseren Gummizug-Hosen, da wir uns doch hin und wieder zu „Fish & Chips“ haben hinreißen lassen. Von diesem Regal lassen wir aber die Finger und ich schreibe im Geiste eine Einkaufsliste für Zuhause: Gemüse, Gemüse, Gemüse.

Ich fahre uns etwas schweren Herzens zu unserem letzten Stopp in Schottland und es musste Schottland sein, denn wir wollen morgen im hiesigen Pub das EM-Spiel: Deutschland – Schottland mit den freundlichen Schotten anschauen. Michael hat sich zum Ende der Reise dann noch zu einem etwas entspannteren Beifahrer entwickelt und ist voll des Lobes über meine heutige Fahrweise.

Die lustige Schottin im ‚Braids Caravan Park‘ hat auch heute schon ein Plätzchen für uns. Doch mir gefällt der Platz, den sie mir direkt am Eingang anweist nicht besonders. Ich frage einen Platz, der vielleicht ein wenig ruhiger ist, an. Die Lady jongliert ein wenig mit den Schlüsseln am Schlüsselbrett und wir bekommen im Inneren des Parks ein ruhiges Plätzchen.

Michael freut sich ebenfalls über seine komplizierte Frau, die so manches Mal für eine bessere Aussicht gesorgt hat. Da es immer noch trocken ist, bummeln wir natürlich in Regenjacken in den Ort. Gretna Green kenne ich nur aus Filmen, wenn englische Pärchen über die Grenze nach Schottland ‚flüchten‘, um sich heimlich in Gretna Green trauen zu lassen. Der Ort ist immer noch geprägt von dieser ‚Tradition‘.

Der endlich einsetzende Regen lässt uns in den Pub flüchten. Wir erfahren, dass im Barbereich morgen, hier natürlich wegen der Zeitverschiebung eine Stunde früher als in Deutschland, das Spiel gezeigt wird. Wo wir schon mal da sind und darauf warten müssen, dass der Regen etwas nachlässt, testen wir the local beer.

Der Regen lässt nicht nach, so dass wir uns erneut durch das kühle Nass zurück zu unserem Bus bewegen. In weiser Voraussicht haben wir vor unserem Bummel die Heizung angestellt, so dass unsere nassen Jacken schon im Laufe des Abends trocknen. Morgen werden sie wohl abermals zum Einsatz kommen.

Freitag, 14. Juni 2024 – Gretna Green: letzter Tag in Schottland

Schottland, so scheint es, weint, dass wir dieses Land verlassen. Wir bleiben gemütlich, starten erst als der Regen nachläßt, der Himmel aufreißt und die Sonne sich durch die Wolken schiebt. Wir schlendern durch beflaggte Straßen. Auch die Schotten fiebern der EM entgegen.

Unser Ziel: Gretna Green. Der Ort hinter der schottischen Grenze, wo die Ehen vieler englischer Pärchen seit Jahrhunderten geschlossen wurden und werden. Bei unter 21jährigen bedurfte es in England der Zustimmung der Eltern. Die Schotten ließen Eheschließungen bei Jungen mit 14 und Mädchen mit 12 Jahren zu. Also ab über die Grenze zum ‚Blacksmith-House‘, zum Schmied, der sich für das Glück der zukünftigen Paare verantwortlich zeigte.

Dieser Ort erfreut sich nicht nur bei Touristen äußerster Beliebtheit sondern ist auch immer mal wieder eine Erwähnung in Film und Fernsehen wert. Etliche Food-Halls und Souvenirläden laden zum Verweilen und zum ersten oder vielleicht letzten Kauf einer schottischen Erinnerung ein. Der ein oder andere verewigt sich mit einem Schloss an der ‚Hall of Love‘.

Ein Brautpaar nach dem anderen unterwirft sich am Originalschauplatz dem Zeremoniell. Die aufgebretzelten Brautpaare warten mit ihren zwei Zeugen geduldig in der Schlange. Diese Massenabfertigung erscheint uns wenig verlockend aber die Symbolträchtigkeit erreicht auch unser Herz. Wir finden uns im Irrgarten wieder vor dem Original-Amboss, worauf nach der Eheschließung beim Schmied, diese mit lauten Schlägen bekräftigt wurde.

Den Rest des Tages widmen wir unserem Bus und den Inhalten, die sich angesammelt haben. Gut sortiert wird das Umladen am Sonntag zügig vonstatten gehen und unser Baby ist bereit für unseren nächsten Ausflug. Entspannt machen wir uns durch die wärmende Sonne und den kühlen Wind auf den Weg in den Pub ‚The Gretna Inn‘.

Samstag, 15. Juni 2024 – Fahrt nach Hull – Fähre nach Rotterdam

Sonntag, 16. Juni 2024 – Fahrt von Rotterdam nach Hause